Donnerstag, 21. Juni 2001
Bevor sich Dzemile Ajradinoski entschloss, Muslima zu werden, setzte sie sich intensiv mit den Weisheiten Mohammeds auseinander.
BUCHS / Vor knapp acht Jahren brach Dzemile Ajradinoski die Brücken zum christlichen Glauben ab
Sie hat dem christlichen Glauben den Rücken gekehrt und ist zum Islam konvertiert. Die Buchserin Dzemile Ajradinoski tat dies nicht nur aus Liebe zu ihrem Mann. Sie ist überzeugt, als Muslima ihre Freiheit gefunden zu haben.
PETRA ZÜRCHER
«Anne, darf ich ein Glace haben?» Die viereinhalbjährige Amina steht am Fenster des Gartensitzplatzes. Den Vorhang hat sie beiseite geschoben. Neugierig blickt sie mit grossen, dunklen Augen ins Wohnzimmer. «Komm dir eines aussuchen», gibt Dzemile Ajradinoski der Bitte ihrer kleinen Tochter nach. «Aber lass die Schuhe bitte draussen.» Auch Amines um ein Jahr älterer Bruder Amir will ein Eis. Als beide wieder auf dem Spielplatz verschwinden, hat Mutter Dzemile Ruhe. Sie sinkt in den schweren Polstersessel und zündet sich eine Zigarette an. «Obwohl das Rauchen im Islam verboten ist, bin ich dieses Laster einfach nicht losgeworden», schmunzelt sie etwas verlegen.
Strenggläubig erzogen
Es ist das einzige Überbleibsel aus einer Zeit, als Dzemile Ajradinoski noch Rosanna Fedele hiess. Im Oktober 1962 kam sie in Winterthur zur Welt. Rosannas Kindheit und Jugend waren von der Strenggläubigkeit der Mutter geprägt. Als das Mädchen 13 Jahre alt war, entschied sich die Mutter, den Siebten-Tags-Adventisten beizutreten. Rosanna selber stand dieser freikirchlichen Glaubensgemeinschaft zwar immer nahe, trat ihr aber nie bei.
Mit 16 verliebte sie sich zum ersten Mal. Die Freundschaft hielt zehn Jahre. Kurz bevor es auf eine gemeinsame Weltreise gehen sollte, zerbrach die Beziehung. Rosanna Fedele zog es dennoch in die Welt – genauer nach Südamerika. Mit Unterbrüchen arbeitete sie fernab der Heimat als Erzieherin mal in einem Kinder-, mal in einem Waisendorf. Eine Hepatitis-Erkrankung zwang sie zur Heimkehr. «Es war Vorsehung», blickt sie auf diese Zeit zurück. «Drei Monate nach meiner Ankunft zu Hause starb meine Mutter an Leukämie.» Die junge Frau überlegte, ob sie den Adventisten beitreten sollte. Sie liess es dann aber. So richtig wohl fühlte sie sich dort nicht.
Islamische Hochzeit
«Anne, hast du noch ein Guetzli für mich?» Amina steht schon wieder am Fenster. Dem Leckermäulchen gelüstet es bereits nach der nächsten Süssigkeit. Ihre Mutter gibt auch diesmal nach. «Aber danach ist es genug.»
Ihren Mann Dzemail Ajradinoski hat die Buchserin beim Tanz kennen gelernt. Gesang und Tanz – Leidenschaften, die sie verbinden. Für den gebürtigen Mazedonier war es Liebe auf den ersten Blick. Die islamische Hochzeit fand am 10. Juli 1993 in Schlieren in einer Moschee statt. Die junge Ehefrau wurde von der Verwandtschaft ihres Gatten herzlich aufgenommen. Am Tag ihrer Heirat wechselte sie Glauben und Namen.
Allerdings geschah dies nicht einfach aus blinder Liebe zu ihrem Mann. Im Gegenteil. Bevor sie zum Islam konvertierte, wälzte sie ein Buch ums andere und bohrte ihrem Gatten mit Fragen Löcher in den Bauch. Sie wollte genau wissen, was nach dem Schritt von einer Christin zu einer Muslima auf sie zukommen würde – ein Schritt, zu dem sie nicht verplichtet gewesen wäre. Nach islamischen Regeln hätte sie ihren Mann auch so heiraten können.
Diese intensive Auseinandersetzung mit dem islamischen Glauben ging auch an ihrem Mann nicht spurlos vorbei. «Er war früher kein strenggläubiger Muslim», sagt Dzemile Ajradinoski. «Heute besucht aber auch er regelmässig die Moschee.»
Emanzipiert
Wer Dzemile Ajradinoski heute begegnet, würde kaum glauben, dass es in ihrem Leben einmal etwas anderes als die Weisheiten des Propheten Mohammed gab. Auch äusserlich hat sie sich dem Islam angepasst. Rassistische Sprüche über ihr Kopftuch nimmt sie inzwischen gelassen hin. Seit sie es trägt, fühlt sie sich emanzipiert. «Das Tuch weist mich als rechtschaffene islamische Frau aus. Ich muss mir von anderen Männern keine unzüchtigen Blicke mehr gefallen lassen.» Etwas, das Dzemile Ajradinoski schon früher nie gefallen hat. «Das Tuch ist eine Befreiung.»
Doch ist Emanzipation mit dem islamischen Glauben vereinbar? «Aber sicher!», wehrt sich die Buchserin und zitiert einen Spruch Allahs: «Diejenigen Muslime sind die besten, die sich am besten gegenüber ihrer Frau verhalten.» – «Die Frauen haben durch den Islam erst die Emanzipation erfahren.», betont sie nochmals.
«Anne, darf ich für die Kinder auf dem Spielplatz auch noch etwas haben?» Dzemile Ajradinoski seufzt und schnappt sich die Keksdose. «Hier, nimm sie noch mit.» Amina zottelt mit einem zufriedenen Lächeln auf den Pausbacken davon. Und ihre Mutter beantwortet die Frage, weshalb sie von ihren Kindern mit Anne und nicht mit Mami angesprochen wird. «So, wie Schweizer Kinder ihre Mütter Mami rufen, rufen Kinder in Mazedonien oder der Türkei ihre Mütter Anne. Es war ein Wunsch meiner Schwiegereltern», fügt sie noch bei. «Ein Wunsch, den ich ihnen gerne erfüllt habe.»
Zürcher Unterländer